Die Zigarette, die eventuell über das Leben entschied

Wenn die Theorie der unendlichen Universen wahr ist (und ich glaube, sie ist wahr), dann habe ich in diesem Universum wohl am letzten Sonntag die richtige Entscheidung getroffen.

Nachdem ich mich auf der Heimfahrt von einem Star-Trek-supernatural-Pokemon-Wanderwochenende mit Freunden in Essen durch einen der vielen Baustrellensyrupfaststaus gekämpft hatte, fuhr ich kurzerhand die nächste Raststätte an, tankte brav das Mazda ein wenig voller, kaufte ein Wasser und schmokte eine Zigarette. Der Sonntag war heiß, 35 °C wedelte das Thermometer, die Klimaanlage rummelte auf Hochtouren. Ich wollte nach Hause, denn eine Geschichte wollte in Ruhe zu Ende gelesen werden. Der kleine Raststättenstop kann nicht länger als 12 Minuten gedauert haben (wenn überhaupt), danach fädelte ich mich wieder in den Verkehr ein und gab Gas, um den Zeitverlust des vorherigen Baustellensyrupfaststau ein wenig aufzuholen. Doch nach nicht einmal 10 Minuten freie Fahrt war Schluss. Nichts ging mehr, Warnblinker, Rettungsgasse  – und wieso will die Hulla hinter mir mich jetzt überholen, wenn ich mich StVO-gemäß als Mittelstreifenbenutzer für die Rettungsgasse an meinen rechten Nachbarn quetschte?! Spinnt die? Ich steh hier nicht zum Spaß!
Jedenfalls standen wir, steh – steh – steh. Das könnte dauern. 400 Meter weiter, hinter einer Querungsbrücke, schien die Ursache des Schlamassels zu liegen. Rettungsfahrzeuge quetschten sich vorbei, und sie sind laut mit ihren Sirenen! Zwei – drei …. schließlich zählte ich sechs oder sieben, auch ein Rettungshubschrauber kam angerauscht. Die Mitstausteher verließen ihre Autos, führten Hunde aus, rauchten (das tat ich dann auch), vertraten sich die Füße, quatschten und versuchten über Internet herauszufinden, was denn passiert sein könnte. Ich überlegte kurz, ob es sich lohnen würde, das KINDLE auszupacken; aber im Auto war es zu heiß (ich wollte die Klimaanlage nicht die ganze Zeit dröhnen lassen) und außerhalb des Autos war es zu sonnig. Und außerdem quasselte mich prompt mein linker Mitstaukamerad an, der sich darüber aufregte, warum man jetzt hier stehen müsste, man könnte doch wenigstens eine Spur schon frei machen und – wenn auch langsam – den Verkehr wieder fließen lassen. Er müsse um 17 Uhr auf der Arbeit sein.
Ich blieb gelassen; in meinem Kopf der Satz: ‚Wenigstens bist du hier, und gesund, und wirst nicht mit dem Rettungshubschrauber weggeflogen!‘

Und noch ein Gedanke machte sich breit:
Hätte ich keinen Zigaretten-Stop eingelegt 12 Minuten vorher, wäre ich dann noch an dem Stau vorbei gefahren? Oder mitten drin gewesen? Vermutlich Letzteres. Es wäre gut möglich gewesen, dass es dann mein Mazda gewesen sein könnte, der von der Fahrbahn abgedrängt wurde, weil der 73 Jahre alte Unfallfahrer einen Schwächeanfall erlitt, seinen  Nachbarn rammte (der ebenfalls 73 Jahre alt ist), und sie beide dann den gesamten Verkehr lahm legten. [Diese Infos sammelte ich dann am nächsten Tag aus dem Internet zusammen.] So war ich zwar zwei Stunden später als geplant zu Hause, aber ich kam wohlbehalten auf dem Sofa an, und konnte mich dem restlichen Sonntag dem KINDLE-Vergnügen widmen.

In den anderen Universen ist nun eine Version von mir

  • tot
  • schwer verletzt
  • hat ihr KINDLE verloren
  • betrauert einen Schrott-Mazda
  • sitzt noch immer in psychiatrischer Behandlung wegen des Verlust des KINDLEs
  • steht noch immer im Stau
  • wurde von dem Staunachbarn entführt
  • was weiß denn ich …

… aber nichts von dem geschah, weil ich einen Raststättenstop einlegte, bevor die Schicksalsbitch dieses Universums fies werden konnte.

Waechter

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2 Antworten zu Die Zigarette, die eventuell über das Leben entschied

  1. PiTTi sagt:

    Ich glaube schon bischen an so Zufälle!

    Wenn mir mal sowas passiert, zur rechten Zeit am richtigen Ort (zu spät) zu sein, bedanke ich mich immer beim Leben, daß es MICH nicht getroffen hat.

    🙂

  2. Anke sagt:

    Puh!!! Wie gut ich solche Gedanken kenne! War schon mal in einer Bankfiliale, die kurz nach meinem Verlassen überfallen wurde. Verpasste schon mal einen Zug, der hinterher verunglückte. Verließ eine Disko, in der es kurz hinterher eine Schießerei gab und und und… Bin froh, dass Dir nichts passiert ist Herzlichen Gruss von Anke

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