Stille tropfte durch die leere, karg eingerichtete Wohnung. Ihr war kalt. Sie war allein. Seit Stunden wartete sie in der Dunkelheit, vermied Geräusche und Bewegungen, die ihre Anwesenheit anderen Hausbewohnern verraten könnten. Sie wartete auf ihn, und fürchtete gleichzeitig sein Eintreffen. Auch, als die Novemberfinsternis durch die Fenster kroch, ließ sie das Licht aus. Bei jedem Laut aus dem Hausflur hielt sie den Atem an und hoffte, dass niemand die Wohnung betreten und sie finden würde.
Er wusste, dass sie auf ihn wartete. Er hatte sie zurückgelassen am Morgen, er musste arbeiten. Sie zählte die Stunden, doch so oft sie auf die leise tickende Küchenuhr starrte, schien es ihr, als wenn sich die Zeiger keinen Millimeter bewegt hätten.
Sie fröstelte. Im Wohnzimmer lag eine Decke, die sie sich um die Schultern schlang, als sie sich in den abgewetzten Sessel sinken ließ, als wollte sie in ihm eintauchen und unsichtbar werden. Wieder überkam sie Furcht. Sie kannte den Mann gerade ein paar Stunden, als er sie einlud, mit ihr nach Dresden zu fahren. In einem Rausch aus Leichtsinn, Verliebtsein und Neugier hatte sie zugesagt und war mitgefahren. Sie verbrachten eine erste Nacht miteinander, aber bereits da fühlte sie, dass es nicht dieser einen besonderen Liebe gleich kam, die sie ein Jahr zuvor verloren hatte. Erneut flutete Kummer durch ihre Seele und sie begann zu weinen, weil sie sich einsam fühlte, ausgeliefert, und weil ihr Herz wusste, dass sie diese unendliche Leere in ihr nicht würde füllen können, nicht mit One Night Stands, nicht mit Alkohol, nicht mit dem oberflächlichen Lachen, das sie aufsetzte beim Flirten mit anderen Männern.
Lichter huschten durch die Fenster. Sie lauschte auf die Geräusche der Straße, während Tränen lautlos über ihr Gesicht liefen. Sie sehnte sich nach ihrem vertrauten zu hause. Dann schlief sie ein.