III
Der kleine Prinz kommt – so erfährt und erzählt Antoine – von einem anderen Planeten, der sehr klein ist, so dass sich sein Schaf gar nicht verlaufen könnte.
Während ich die Zeilen lese, wandern meine Gedanken in eine völlig andere Richtung, und nicht geradeaus.
Was wäre, wenn es gar nicht um Schafe in Kisten geht? Was, wenn man etwas anderes damit meint, Liebe zum Beispiel? Soll – darf man Liebe anbinden, damit sie nicht fort- und damit sie sich nicht verlaufen kann? Darf Liebe einen Menschen „anbinden“, oder ist es dann keine Liebe? Was, wenn man einen Menschen so sehr liebt, dass man ihm alle Freiheiten lässt, auch auf die Gefahr hin, dass man ihn dadurch verliert?
Ja, ich gebe zu, ich denke gerade an #QAF; wo diese Thematik eine entscheidende Rolle spielt (jedenfalls auf die Art, wie ich es sehe).
Noch etwas kam mir in den Sinn: Ein Planet, der so klein ist, dass man nicht weit geradeaus gehen kann. Heimat, die vertraut ist, die man kennt, aber die auch einengt irgendwann. Ich vermisse meine Heimat an manchen Tagen, das Dorf, die Wälder, die Berge, die Gewitter.
IV
Der türkische Astronom, der den B 612 Astroiden = Heimat des Prinzen zuerst entdeckte, und dem niemand ernst nahm, weil er keine europäische Kleidung trug. Mit der richtigen Kleidung (Kleiderordnung von einem Diktator befohlen) waren dann alle seiner Meinung.
Wann ist das Buch zum ersten Mal erschienen? Wiki weiß bestimmt die Antwort: 1943 in New York. Aber die Aussage darin ist älter und aktueller, denn je. Oder scheint es mir nur so? Sind wir heute wirklich offener, unvoreingenommener den „Nerds“ gegenüber, weil es hipp ist, nerdig zu sein? Und andersherum: Wenn eine (politische) Meinung nur richtig angezogen daherkommt, getarnt als „Besorgnis für das Volk“; vergisst man dann, darüber nachzudenken, was es wirklich oft ist … Hetze? Auf Twitter beispielsweise begegneten mir ab und an Tweets, die sinngemäß mit den Worten begannen: Ich bin kein Nazi, aber … und dann kam irgendeine Aussage, warum Flüchtlinge in Deutschland alles kaputtmachen würden, wie man Flüchtlingen alles in den Rachen schieben würde, und sie nur fordern und verlangen könnten, gierig und nie zufrieden, während der deutsche Otto Kleingeist auf der Strecke bleiben würde.
Ich schweife scheinbar ab, doch das ist ja bei dieser Lektüre beabsichtigt.
„Wie ist der Klang seiner Stimme? Welche Spiele bevorzugt er? ….“ Das sind die wesentlichen Fragen, die man stellen sollte, wenn man von einem neuen Freund erzählt. Ich mag das, ich mag das sehr. Ich muss gerade sehr lächeln und frage mich, welche Fragen (und Antworten) man bei mir stellen/bekommen würde.
„Es war einmal ein kleiner Prinz, der auf einen Planeten lebte, der kaum größer als er selbst war, und er brauchte einen Freund …“
Da ist sie wieder, die Freundschaft, die wir brauchen, wie klein unsere Planeten auch sein mögen. Freund/Freundschaft sind so mächtige, bedeutungsvolle Worte! Ich fürchte, ich war in letzter Zeit kein Freund; denn mir reicht mein kleiner Planet derzeit.
„Mein Freund gab mir nie Erklärungen. Er glaubte wohl, ich sei ihm ähnlich. Doch ich kann leider keine Schafe in Kisten erkennen. Ich bin vielleicht schon ein wenig wie die Erwachsenen, ich musste ja älter werden.“
Ich kann auch keine Schafe in Kisten erkennen, oder übersetzt eben: Ich kann auch nicht mehr zügellos meine Fantasie ausleben. Zu viel Alltag mit Akten und Synopsen, keine Zeit, um in Wolken zu starren und sorglos den Tag zu verbringen.
Mich lässt das mit der Freundschaft gerade nicht los; ich denke an Mel. Ich betrachte sie als Freundin. Und doch bin ich auf meinem kleinen Planeten vor ihr weggelaufen. Ich dachte wohl, sie versteht das, mich …
Oder Jutta! Vor ihr bin ich sicher auch weggelaufen (zumindest zeitweise). Und sie lief sicher auch vor mir davon. Aber wir haben uns nie verloren; auch jetzt nicht, auch wenn sie nicht mehr da ist. Waren wir uns ähnlich? In bestimmten Sachen sicher, in anderen ganz und gar nicht. Manchmal wollte sie mich anbinden. Ich ließ mich nicht anbinden!
Bin ich ein Freund? Wann ist man ein Freund? Wie viele Freunde braucht man? Manchmal denke ich, dass ich ohne Freunde auskommen würde. Der Gedanke erschreckt mich dann. Aber er ist trotzdem wahr. Wenn ich mir selbst genug bin, ist die Gefahr größer, nur noch sich zu sehen (und in meinem Fall in das Universum abzugleiten, in dem ich niemanden etwas schuldig bin, keine Erklärungen abgeben muss, warum ich mir selbst genug bin.)