Seltsam, wie sich manchmal Gedanken ins Gehirn schleichen, sich dort festtackern und dann bebloggt werden wollen. Heute: Bemmen.
Bemmen sind Schnitten, belegte Brote, manche sagen auch Stullen dazu. Nichts Ungewöhnliches also, und ich weiß auch gerade nicht, wo der Ausdruck „Bemme“ genau herkommt. Ich kenne ihn jedenfalls, und Schulbrote zum Beispiel hießen bei uns eben Bemmen oder Schnitten.
Nun ist Bemme nicht gleich Bemme. In der Schule beneidete ich Ina, weil sie jeden Tag fein garnierte Schnitten aus ihrer Brotbüchse auspackte. Natürlich gesund; Vollkornbrot mit Käse oder Wurst, dazu auf der anderen Seite, in extra Alufolie eingepackt, geviertelte Äpfel, Birnen oder sonstiges Obst, was man gerade ergattern konnte in Ostdeutschland oder was der heimische Garten so abwarf. Ich bin mir sicher, Ina’s Brotbüchse hätte 10 Jahre lang immer den Preis für das perfekte, sozialistisch-gesunde Schülerfrühstück erhalten.
In meiner Brotbüchse hingegen – so ich überhaupt eine hatte – fanden sich immer nur zusammengeklebte Schnitten/Bemmen, meistens mit Sachen drauf, die ich nur widerwillig und weil es eben nichts anderes gab verspeiste – oder an die Spatzen und Katzen verfütterte. Obst gab es maximal als ganze Frucht mit auf dem Weg, und genau so ganz brachte ich regelmäßig das Obst wieder mit nach Hause nach Schulschluss.
Ich stellte mir oft vor, wie Ina’s Mutter jeden Morgen in der Küche stand und das Brot frisch für ihre Tochter belegte. Bei mir stand niemand in der Küche, die Schnitten wurden am Vorabend geschmiert und in den Kühlschrank verfrachtet. Manchmal stand ich auch extra morgens eher auf, um mir selbst eine total gesunde Frühstücksbemmenbüchse zu basteln. Doch das kam nicht oft vor und irgendwann verzichtete ich ganz auf selbstgeschmierte Bemmen, zu Gunsten von 10 Minuten länger schlafen können am Morgen. Da war jede Minute kostbar und Essen war mir nicht so wichtig. Wenn der Magen gar zu garstig in der großen Pause knurrte, schnorrte ich mir Brot von meinen Freunden oder wir plünderten verbotener Weise den Bäcker im Kaufhaus gegenüber der Schule.
Auch mein Vater hatte jahrzehntelang eine Brotbüchse. Sie war aus silbernen Blech und mit den Jahren arg zerbeult, aber sie tat ihren Dienst. Jeden Morgen bekam mein Vater seine Brotbüchse gefüllt, und jeden Abend, wenn er von seinem Dienst nach Hause kam, schepperte seine Büchse in der Spüle. Er weigerte sich strikt, neue Brotbüchsen, mit denen er zum Geburtstag oder zu Weihnachten beschert wurde, zu benutzen. Seine alte silberne zerbeulte Brotbüchse begleitete ihn jeden Tag zu seiner Dienststelle, und er vergaß sie nie. Im Gegensatz zu mir: Ich verschluderte vermutlich gerade in der Anfangszeit meiner Schulzeit Unmengen von Brotbüchsen.
Jetzt weiß ich endlich auch, was Bemmen sind. Bei uns hieß es einfach Pausenbrot und ich kann mich nicht daran erinnern, jemals sowas bekommen zu haben.
Ich glaube……. so ist das im Leben.
Man weiß das, was man nicht hat, immer mehr zu schätzen, als das was man hat?
Ich hatte nie Pausenbrote mit (Pausenbrote, einfach Pausenbrote…. die komischen Worte kenne ich nur durch dich und meinen Mann *g*), aber ehrlicherweise hab ich es auch nicht vermisst. Warum auch, es gab einen Kiosk auf dem Weg…… aus irgendeinem Grund muss ich ja aussehen, wie ich heute aussehe *seufz*.
Meine Tochter hingegen wandert jeden Morgen mit ihrer frisch gepackten Dose los, mit deinem „perfekten Pausenbrot“ aus Vollkorn, gesund belegt, und Obst, geviertelt 😉 Oder Gurken auf Scheiben geschnitten, oder Minitomaten, oder Karottenstifte……..
Aber, sie wird das NIE zu schätzen wissen, warum auch, sie hat es ja… und das ist auch ok so. Kniefälle für 5 Minuten Brotdose packen fände ich dann doch etwas seltsam *g*
Und Brotdosen sind auch immer weg…… Brotdosen sind wie Haarspangen…..
Was ich damit sagen will……. es ist immer das, was wir nicht haben.
Ich glaube nicht, dass diese Ina sich je darüber bewusst war, wie toll du ihre Pausenbrote fandest und selbst wenn, sie hätte dich nicht verstanden.