Kleines Drama nach einer wahren Begebenheit
„Die Kamera ist kaputt!“
stand auf dem Zettel, der auf meinem Schreibtisch lag. Daneben war die kaputte Lumix abgelegt worden. Ihr Objektiv ragte in die Büroluft. Schubste man den Akku rein, ratterte sie zwar hoffnungsvoll los, fuhr den Objektivrüssel brav ein und anschließend gleich wieder aus und … rührte sich danach nicht mehr. Auf dem Display erschien irgendwas mit „Schärfeneinstellung defekt“. Beharrlich verweigerte sie jegliche Mitarbeit, schraubte man am Menü oder an einem der noch so auffindbaren Einstellungsknöpfe herum. Die Lumix war offensichtlich verstorben und ich hatte mich um den Nachlass zu kümmern.
Der erste Gedanke war: ‚Vielleicht ist ja noch Garantie druff!‘
Dazu müsste man natürlich aber wissen, wann wer wo die Lumix angeschleppt hatte. Sollte herauszufinden sein. ‚Irgendwann im Frühjahr 2012!‘ lautete die Vermutung der befragten Gedächtniselefanten. ‚Und zwar über Amazon geshoppt.‘ Nun, dann würde ich eben die Buchhaltungsunterlagen 2012 wälzen und eine Spur der Lumix finden müssen.
Wir schreiben bekanntlich nun bereits das Jahr 2014, die Buchhaltungsunterlagen 2013 dümpelten – soweit erinnerte ich mich – noch im Steuerbüro herum. Also sollten die Unterlagen bis einschließlich 2012 brav im Archiv einstauben. So fuhr ich nach Büroschluss ins Archiv, lief durch staubige Aktengänge, fand Buchhaltungsordner … 2011 … 2010 … 2007 … 2000 … 1698 … die Steintafeln, die Mitarbeiter Moses mal von einem Berg geschleppt hatte … Alles da, in Reih und Glied nebeneinander sortiert. Was fehlte, war – so will es Murphys Gesetz – der komplette betreffende Buchhaltungsjahrgang 2012!
Ich wühlte mich noch weitere Minuten durch das Archiv in der irrsinnigen Hoffnung, dass, wenn ich nur 5 Minuten später noch mal in das betreffende Regal schaue, die 4 Ordner mit der Aufschrift „BH 2012“ wie durch Zauberhand plötzlich da stehen würden, wo sie stehen sollten. Sie tauchten nicht auf und ich bekam den ersten Panikschub! Wo war die verdammte Buchhaltung?
Ich verbrachte eine mehr oder weniger schlaflose Nacht. [Zu Hause – nicht etwa im Archiv! Soweit geht mein Pflichtbewusstein dann doch nicht!]
Am nächsten Bürotag suchte ich verbissen weiter an allen möglichen und unmöglichen Stellen – ohne Erfolg. Dann kam mir der Gedanke: ‚Möglicherweise war die verschwundene Buchhaltung ja auch noch im Steuerbüro?‘ Alles, was irgendwie nicht auffindbar ist, fand sich spätestens im Steuerbüro an oder war für alle Zeiten durch ein Wurmloch direkt in das Nirwana sämtlicher verschwundener Akten dieser Welt gebeamt, gleich neben dem Einzelsockensammel-Black-Hole. Zaghaft telefonierte ich mit dem Steuerbüro: „Bitte sagen Sie mir, dass die Buchhaltungsordner aus 2012 aus welchen Gründen auch immer noch bei Ihnen rumstehen!“ bettelte ich; und wurde erhört: Sie standen da tatsächlich. Uff! Es war also nicht meine Schuld.
Drei Tage später staubten die Buchhaltungsordner wieder bei mir auf dem Schreibtisch herum; und ich konnte mich auf die Suche nach der Rechnung für die Lumix machen. Ich blätterte mich durch das Jahr 2012 und glücklicherweise fand ich im Februar betreffende Amazon-Rechnung mit 3 gekauften Lumixxen.
Wenn die im Februar 2012 gekauft wurden (und pro Lumix immerhin 250 Euronen bezahlt worden sind), dann ist die Garantie vermutlich bereits im Februar 2014 verflogen gewesen und der September, der Monat des Lumix-Todes, war damit jenseits von allen möglichen Diskussionen. Oder nicht? Hatte man vielleicht doch 3 Jahre Lumix-Garantie? Dann bestünde noch Hoffnung. Das Prinzip Hoffnung überlebt ja irgendwie immer und fragen kostet nichts – außer Nerven, wie sich bald herausstellen sollte.
Da auf der Rechnung haufenweise Bestellnummern und sonstige wichtige kryptische Zahlenkombinationen vermerkt waren, könnte man ja bei Amazon anrufen und doof fragen, ob wir noch ein bisschen Garantienachschlag haben könnten.
Habt ihr schon mal bei Amazon angerufen, wenn es um Sachen ging, die nicht direkt euer Amazon-Konto betrafen? Vermeidet es!
Ich klickte mich durch die Amazonhilfeseiten … klick … klick … klick …durch diverse Hilfethemen und Foren auf der Suche nach einer Telefonnummer. Nach einer guten halben Stunde und verzweifelten Klickens klingelte es dann auch. Allerdings wollte die männliche Amazone am anderen Ende der Leitung nicht nur die Bestellnummer des betreffenden Vorganges haben (die ich glücklicherweise sogar hatte), sondern auch die Email-Adresse, über deren Konto anno dunnemols die Lumixxe bestellt worden sind. Also spielten wir eine zeitlang Email-Bingo: Ich nannte ihm alle möglichen Email-Adressen der Firmen-Mitarbeiter, die bestellt haben könnten und er antwortete stets: Nein, die ist es nicht! Nach der Durchsage der 5. Emailadresse hatte ich entweder Glück und einen Zufallstreffer oder er schlicht keine Lust mehr auf das Spiel, jedenfalls bekam ich die Auskunft, die ich bereits befürchtet hatte: „Garantie seit Februar 2014 ausgelaufen. Ich danke für Ihren Anruf!“ Platsch.
Und nun? Aufgeben und die Kamera abschreiben? Nö! Nun hatte ich so viele Hürden gemeistert, da könnte ich auch noch ein bisschen mehr recherchieren.
Lumix gehört bekanntlich zu Panasonic und Panasonic hat laut Googleauskunft genau ZWEI Reparaturzentren in Deutschland. Ich telefonierte mich durch, wurde auch mit der nächsten Reparaturannahme – dort ein sehr netter Techniker – verbändelt und schilderte mein Problem:
„Es ist ja so, unsere Lumix hat seit Februar keine Garantie mehr, ist aber trotzdem blöderweise kaputt. Wenn ich den Aku reinschubse, rattert sie zwar los, aber dann kommt …
[Während ich redete, fummelte ich den Aku in die kaputte Lumix, um den andächtig lauschenden Techniker quasi aus erster Hand die Fehlermeldung mitteilen zu können…]
… aber dann kommt ….
– baffes Erstaunen meinerseits und der Ausruf:
„Wieso ist die Lumix denn jetzt nicht mehr kaputt?!“
Denn in der Tat, die mit dem Aku beladene Lumix benahm sich plötzlich tadellos, fuhr anstandslos das Objektiv erst ein, dann wieder aus, regulierte die Schärfe und war bereit für das Knippsen diverser Fotos, wenn ich denn gewollt hätte.
Der wartende Techniker kicherte (ich schwöre, er kicherte!), während ich völlig verdutzt auf die wiederauferstandene Lumix blickte, die selbe Prozedur noch einmal durchführte und sie immer noch keine Anzeichen von Schwäche Preis gab.
„Ich schwöre Ihnen, bis vor 3 Minuten war die Lumix noch tot!“ beteuerte ich und hatte den berechtigten Verdacht, dass die Lumix mich mit Absicht hat auflaufen lassen, um wieder einmal das universelle Gesetz zu demonstrieren: Frauen und Technik – zwei Widersprüche in einer Parallelwelt ohne Glitzer.
Der Techniker nahm es mit Humor. Das käme schon vor, dass etwas plötzlich wieder funktioniert, vorzugsweise gerade dann, wenn man gerade das Nicht-Funktionieren demonstrieren wollte. Aber wenn die Lumix sich wieder tot stellen sollte, dann könne ich mich ja noch einmal melden. Eventuell hat nur der Servermotor einen Wackler und müsste getauscht werden und darüber könne man ja dann nachdenken, ob sich das lohne, denn diese Reparatur käme so knapp um die 90 € an Kosten. Er kicherte leise, als er mir einen hübschen Tag wünschte. Ich starrte die Lumix immer noch perplex an.
Als ich aufgelegt hatte, unternahm ich einen letzten Versuch. Jetzt, wo der Techniker nicht mehr zuhörte, würde die Lumix sicherlich wieder ihr wahres Gesicht zeigen und den Dienst verweigern! Ich war überzeugt davon. Aku raus – Aku rein – Kamera auf ON … alles brav.
Seltsam!
Aber wenigstens habe ich die Buchhaltungsunterlagen gefunden.