Kopfschmerzen waren bisher immer etwas, das ich mal temporär hatte, ein, zwei Stunden höchstens. Wenn es gar nicht besser wurde, ging ich ins Bett oder warf eine Tablette ein. Letzteres eher selten, ich versuche eigentlich immer alles möglichst ohne Pharmazie zu überstehen.
Bis auf letzten Sonntag Nachmittag, wie aus heiterem Himmel: ein Stich im Kopf, linke Seite, und dann pulsierte der Schmerz und nistete sich ein. Ich kühlte mit Waschlappen und nahm später eine 600er Ibu, verzichtete sogar auf den (und das will was heißen, denn es war immerhin ein Münsteraner) Tatort und verkroch mich ins Bett, hoffte auf den nächsten Morgen.
Der Montag danach war jedoch grauenvoll. Geschlafen hatte ich kaum, nur bruchstückhaft, und in den vielen Phasen, in denen ich wach lag, lauschte ich auf den pulsierenden Schmerz in meinem Kopf und fragte mich, wann es vorbei sein würde. Oder ob es vielleicht nie mehr vorbei gehen würde? Was dann? Am Montagmorgen schleppte ich mich ins Büro in der irrigen Hoffnung, es würde bald besser sein. Es musste doch bald besser werden! Doch es wurde nicht. Chef sah mich sitzen und fast heulen. Mein Kopf wurde immer schwerer, der Schmerzpuls raste nach wie vor durch die linke Seite gleich hinter der Stirn. Es hatte so keinen Sinn. Chef schickte mich nach Hause. Ich ergatterte einen Termin bei meinem Hausarzt, an einem Montag gar nicht so einfach. 12.15 Uhr würde sich Dr. B. meinen Kopf anschauen und mir etwas verschreiben, damit es aufhört. Bis dahin verkroch ich mich ins Bett zurück, fand aber keinen Schlaf. Gruselige Gedanken hämmerten auf mich ein. War es so ein Schmerz, wie ihn J. beschrieb, kurz bevor bei ihr das Aneurysma festgestellt wurde? Hatte ich schon Sehstörungen? Nur die üblichen, doppelt sehe ich schon eine ganze Weile ohne besondere Anstrengung.
Eine halbe Stunde vor dem vereinbarten Arzttermin saß ich im Wartezimmer. Dort saß ich 1,5 Stunden lang. Die Untersuchung selbst dauerte dann nur 10 Minuten. Diagnose: Vermutlich Migräneanfall. Aber um ganz sicher zu gehen: Röntgen und zum Neurologen. Am besten sofort. Und für die Schmerzbekämpfung Tabletten.
Also fuhr ich ins Krankenhaus. Das Röntgen ging schnell, zu finden war nichts. „Es sieht so aus, als wenn es „nur“ Kopfschmerzen sind!“ Ja, ich war etwas erleichtert. Blieb noch der Neurologentermin. Der Neurologe war schwer, weil telefonisch überhaupt nicht zu erreichen. Da ich aber eh schon unterwegs war, wollte ich das auch noch hinter mich bringen. Entweder, sie gaben mir gleich vor Ort einen Termin oder eben einen für bald. Denn ich ahnte: Wenn ich jetzt nach Hause fuhr, mich ins Bett legte und die Welt ausschalten würde, wie alles in mir schrie, dann würden die schlimmen Ahnungen mir sämtliche Tumore ins Gehirn zaubern und mich nicht zur Ruhe kommen lassen, vom Kopfschmerz an sich ganz zu schweigen. Er war – fast nun schon vertraut – immer noch gleichmäßig da.
Beim Neurologen wurde ich dazwischen geschoben, als Schmerzpatient sozusagen. Was allerdings nicht bedeutete, dass ich nicht warten musste. Natürlich musste ich warten. Ich dämmerte im dortigen Wartezimmer vor mich hin, den schmerzenden Kopf in meinen Schal vergraben. Dass ich so wieder 1,5 Stunden verbrachte, merkte ich gar nicht. Zeit war plötzlich nicht mehr existent. Vermutlich war ich auch ein wenig weggedöst.
Der Neurologe untersuchte mich, fragte alles Mögliche ab, Vorgeschichte, Sehstörungen, die möglicherweise vorher schon aufgetreten waren, er klopfte an mir herum, beleuchtete meine Augen – und kam schließlich zu dem Schluss: Ja, Migräneanfall. Alles spricht dafür. „Aber wieso denn? Ich hatte noch nie Migräne, ja nicht mal richtige Kopfschmerzen, jedenfalls keine solchen!“ protestierte ich. Tja, nun haben sie die aber! So was passiert.
Zur Sicherheit sollte ich dann doch noch einen MRT-Termin vereinbaren. Aber erst morgen. Mittlerweile war es bereits 17.30 Uhr, ich war den ganzen Nachmittag auf den Beinen, hatte nichts gegessen und wollte nur noch ins Bett.
Zu Hause aß ich dann doch noch etwas; Übelkeit gehörte zum Glück nicht zum Repertoire meines persönlichen Migräne-Dämons. Dann warf ich das erste Migränemittel ein, eine Tablette, die scheußlich schmeckte. Und die nicht half. Ich lag endlich im Bett, doch der Schmerzpuls hämmerte unaufhörlich in meinem Kopf, stetig, unerbittlich.
Am nächsten Morgen – Dienstag – noch immer dasselbe Theater. Kopfschmerzen. Nächste Tablette, viel Kaffee. Ansonsten: Nichts lesen, kein Fernsehen, kein Licht, NICHTS! Warten, dass die Tablette endlich wirkt. Hoffen, dass die Tablette endlich wirkt. Dazwischen: MRT-Termin telefonisch vereinbaren. Varel (bei denen ich Anfang des Jahres schon wegen dem Knie war) hatte vor Mitte Dezember überhaupt keine Termine mehr frei. Auf den Rückruf von Brake wartete ich 2 Stunden, traute mich nicht, einzuschlafen – als wenn ich das gekonnt hätte. Endlich kam der Rückruf, Termin Mittwoch in einer Woche. Früher geht nicht. Super! Angenommen, es ist nicht nur ein Migränedämon, der sich in meinen Kopf eingenistet hat? Och, möglicherweise ist in ihrem Kopf ein Gefäß geplatzt, das sehen wir dann ja in 1,5 Wochen, oder spätestens bei ihrer Obduktion! Noch Fragen an das deutsche Krankensystem?
Reg dich nicht auf! Bleib ruhig. Kopfschmerzen hast du schon genug; und nun ununterbrochen seit 40 Stunden. Das muss doch endlich mal aufhören! Ich warf eine weitere (vom Neurologen verschriebene) Migränetablette ein und betete, dass die endlich wirken würde. Und endlich! Endlich, endlich, endlich … Ruhe im Kopf, zumindest zeitweise. Was für eine Wohltat.
Den 3. Tag meiner Migräne-AU verbringe ich nun auf dem heimischen Sofa, lausche angespannt in mich hinein. Sobald auch nur ein Schmerzdämonchen aufzucken will, werde ich Gegenmaßnahmen ergreifen. Bisher ist alles okay, mehr oder weniger. Der Kopf tut normal weh. Darüber bin ich schon fast dankbar. Morgen werden mich die Büros wiedersehen. Mit den Migränetabletten von nun an immer im Handgepäck.