Als Kind habe ich gern Weihnachten gefeiert. Auch wenn mein Vater meinen jüngeren Bruder und mich als Atheisten erzog, waren die Weihnachtsfeste immer etwas besonderes. Vielleicht waren sie nie so werbeartig perfekt, aber es waren Weihnachten – mit Kerzen, Heimlichkeiten, Plätzchenduft und einem Weihnachtsbaum, der jedes Jahr der schönste war, den wir je hatten, auch wenn Papa manchmal noch ein paar zusätzliche Äste an den Baum klebte, damit er nicht so kahl aussah.
Jahre später – meine Tochter wurde damals gerade 1 Jahr alt – trafen mein Mann und ich auf besondere Menschen, die uns faszinierten, die Antworten auf unsere Fragen gaben und die von sich selbst behaupteten, die Wahrheit zu besitzen. Wir wollten gern glauben und sicher sein, dass es doch einen Gott gab, der unserem Leben eine besondere Bedeutung geben und es mit Sinn füllen würde. Wir lernten, dass Weihnachten ein heidnisches Fest ist – und bald feierten wir es nicht mehr, um dem gerade erst neu entdeckten Gott zu gefallen. 6 Jahre lang brannten bei uns keine Adventskerzen, gab es bei uns keinen Weihnachtsbaum, keine Weihnachtslieder, keine Geschenke, keine festliche Stimmung, keinen Weihnachtsmarkt – Weihnachten fand nur noch “draußen” statt.
Irgendwann aber wachten wir auf, entdeckten unsere Fragen wieder, unsere Neugier, und erkannten langsam die Wahrheit hinter der Wahrheit.
Es dauerte noch einmal 2 Jahre, in denen wir uns zwar körperlich von der Sekte gelöst hatten, aber es noch immer nicht wagten, Weihnachten fröhlich zu feiern. Immer noch hatten wir das beklemmende Gefühl, etwas Verbotenes zu tun.
In der Weihnachtszeit 1999 dann brachte mein Mann eine schlichte Holzpyramide mit nach hause. Wir steckten die Flügelblätter daran und zündeten die Kerzen an. Sie begann sich langsam zu drehen und wir wurden eingehüllt von dem Kerzenschimmer und schauten eine Stunde lang zu, wie sie sich drehte. Und obwohl es nur eine kleine Pyramide aus Holz und der einzige weihnachtliche Schmuck im Haus war, war sie es, die den Dezember-Tagen 1999 den weihnachtlichen Glanz verlieh.
Ich nahm meine Tochter in den Arm und weinte; weinte um die verlorenen Jahre, an denen Weihnachten doch etwas besonderes sein sollte und die unwiederbringlich verloren waren. “Wein doch nicht, Mama, ab jetzt machen wir uns jedes Jahr unser besonderes Weihnachten” tröstete die damals 9-Jährige mich.
Unsere erste Holzpyramide gehört seitdem zu jedem Weihnachtsfest.
(geschrieben Dez. 2008)