Ihr kennt das vielleicht: der letzte Milchzahn nervt einfach nur. Mein letzter Milchzahn machte mir – als ich 12 oder 13 Jahre alt war – das Leben schwer. Das ständige Gewackel ging mir tagelang tierisch auf die Nerven. Das blöde Teil musste also irgendwie raus. Aber zum Zahnarzt wollte ich auf keinen Fall! Und dann kam mir eine Zeichentrickserie zu Hilfe.
“Lolek und Bolek” – und einer von den beiden hatte das gleiche Problem wie ich: einen wackelnden Zahn. Das Zahn-Wackel-Problem wurde dort mit Hilfe einer Tür und einem Stück Bindfaden gelöst. Die Idee fand ich clever – sie könnte funktionieren. Ich hatte sowohl eine Tür als auch Sternchenzwirn zur Verfügung. Also – Versuch macht klug.
Ich wickelte um meinen letzten sturen nervenden Milchzahn Sternchenzwirn, was gar nicht so einfach war, denn wie befestigt man das an diesem Biest? Ständig rutschte der Zwirn wieder ab und ich musste wieder von vorn anfangen. Je länger man auf Zwirn rumkaut, um so ekliger schmeckt der und macht das Anbinden eines Zahnes auch nicht leichter. Mittlerweile taten mir schon die Arme weh und eine Kiefersperre war auch nicht mehr so ganz abwegig. Aber schließlich schaffte ich es. Der Zahn war festgebunden und der restliche Faden hing mir wie ein überlanger dürrer Mäuseschwanz aus dem Mund.
Ready for Step 2: Das andere Ende des Fadens wickelte ich an die Klinke der Badtür und legte mich auf den Badteppich in der Erwartung, dass – sobald jemand die Badtür aufreißen würde – mein letzter nervender störrischer Milchzahn kurz und schmerzlos und im hohen Bogen herausgerissen werden würde.
Ich lag also – zugegebenen doch ein bisschen ängstlich – mitten im Bad und versuchte mich abzulenken. Noch war scheinbar niemand zu hause. Ich hätte vorher prüfen sollen, ob überhaupt jemand in nächster Zeit ins Bad musste. Aber nun lag ich schon mal da und konnte also auch warten. Früher oder später würde schon jemand auftauchen: mein Bruder, oder mein Vater vielleicht. Die mussten doch ständig aufs Klo.
Unsere Katze strich neugierig um mich herum und in ihren Augen blitzte es amüsiert.
Dann hörte ich Schritte im Flur – gleich würde es geschehen – gleich würde die Badtür aufgerissen werden! Aufregung und noch ein bisschen mehr Angst kroch in mich. Aber: Es musste jetzt sein! Noch einen Tag mit dem wackelnden Ding wollte ich auch nicht mehr. Ich wagte kaum zu atmen.
Und dann:
Schwang die Tür auf (wie ich erwartet hatte) und knallte mir an den Kopf (was ich nicht erwartet hatte).
Ich hatte schlicht übersehen, dass sich die Badezimmertür nach innen öffnet und mein Kopf als Türstopper fungierte.
Mein Bruder war erst verdutzt, mich mit meiner Zahnentfernungskonstruktion auf dem Badfliesen liegend zu finden – und fing dann fürchterlich an zu lachen. Ich rieb mir den schmerzenden Kopf und wußte nicht recht, ob ich weinen oder mitlachen wollte. Ich entschied mich für das letztere.
Die Beule war nicht zu verachten, ich würde die nächsten Tage also nicht nur mit meinem letzten Milchzähnchen, sondern auch mit einem grünlich-blauen Horn auf meiner Stirn leben müssen. Der störrische kleine Milchzahn fiel dann einfach so – ohne dass ich darüber nachgedacht hätte – einem herzhaften Biss in einen Apfel zum Opfer. Die Geschichte selbst wurde bei jedem Familiengeburtstagskaffeeklatsch vor allen Tanten und Onkeln, Neffen und Nichten und – wenn es sich ergab – auch Nachbarn zum Besten gegeben – und jedesmal stieg mir vor Verlegenheit die Röte ins Gesicht.
LOOOOL. der hase wie er leibt und lebt 🙂