Was ist das, was in letzter Zeit mir Splitter aus der Vergangenheit ungefragt und zu den unmöglichsten Zeiten ins Gehirn spült? Wie gerade eben auf der Heimfahrt, ausnahmsweise mal wirklich pünktlicher Büroschluss. Und dann war er da, der Erinnerungsfetzen, wie ich als 12-Jährige abends im Bus saß, auf dem Weg von Zittau nach Hause. Ich fuhr von meinen Tanten heim, es war spät im November, regnerisch, trüb. Ich schaute versonnen aus dem Fenster und die Luft müffelte abgestanden warm im Bus, dass mir ein wenig schlecht war. Draußen huschten die Straßenlampen vorbei, wechselten sich ab mit beleuchteten Fenstern …
Und dann sah ich ihn: Den ersten Weihnachtsbaum. Dann fiel es mir auf: Dass es November ist, Weihnachten kommen wird, wie jedes Jahr, und dass es nun nicht mehr lange dauern würde. Zeit war so ein Konzept, das ich als Kind kaum begreifen konnte. Alles war immer noch so lange hin! Dass die Wochen rasen, fällt erst mit jedem Jahr, das man älter wird, immer mehr auf und wird einem bewusst.
Und so saß ich im Bus, müde, ein bisschen melancholisch, und mir wurde klar, dass es bald Weihnachten werden würde, damit wieder ein Jahr vorbeigegangen sein wird. Und vielleicht ahnte das Kind in mir, dass Zeit eben doch nicht ewig und unfassbar ist, wie man lange glaubt, wenn der nächste Geburtstag scheinbar unendlich weit weg ist, so wie die nächste Woche, der nächste Monat, die bevorstehende nächste Jahreszeit.