Harry Potter und die Hackfleischkekse

Eigentlich wollten wir uns den Anfang vom Ende vom letzten Mal vor dem Kinobesuch noch einmal auf DVD anschauen. Aber daraus wurde nichts, denn im gesamten Wesermarschumland war die Harry Potter VII Teil 1 DVD vergriffen. Also fuhren wir mit den kläglichen Resterinnerungen vom letzten Harry Potter Kinobesuch, der ja nun auch schon ein halbes Jahr mindestens zurücklag, und den noch kläglicheren Resten aus den Büchern, los und stürzten uns in das nun wohl letzte filmische Zaubererduell.

Ich gebe zu, ich habe die Bücher damals verschlungen. Zuerst wollte ich ja nicht, aber dann lag eines dieser Exemplare von der Tochter angeschleppt bei uns herum. Um nicht ein Vorurteil gewinnen zu lassen und um meine Unvoreingenommenheit unter Beweis zu stellen, gab ich dem Zauberlehrling, von dem zu diesem Zeitpunkt bereits alle schon sprachen, eine Chance. Also begann ich mit dem ersten Teil, und nach ungelogen 3 Seiten, noch im ersten Kapitel, packte es mich. Vermutlich gibt es nur zwei Arten von Harry Potter-Gefühlen: Entweder, man ist vom ersten Moment an hoffnungslos verfallen oder man findet es einfach nur lächerlich und kindisch. Dazwischen gibt es nicht viel.

Nun saßen wir also zu dritt im neuen Toyota Auris auf dem Weg in den Bremer Kristallpalast, um den Abenteuern von Harry ein letztes Mal die große Leinwand zu gönnen. Hubby fuhr und hinter mir saß mein aufsässiges Kind. Auf meine Frage, woran sich eigentlich die restliche Familie vom letzten Teil des letzten Teiles noch so erinnert, also quasi an den vorletzten Teil, kamen aus Hubbys Richtung nur stümperhafte Antworten. Er hatte komplett alles in seinem Muggelgehirn verschüttet. Offen gestanden, ich konnte mich auch nur noch daran erinneren, dass Dobby gestorben war und ich an der Stelle damals bitterlich geheult habe.  Dafür waren die Erinnerungen aus dem 7. Buch kristallklar, das hatte ich ja auch schließlich einmal in englisch und einmal in deutsch gelesen. Als Hubby anfing, Heiligtümer und Horkruxe zu verwechseln, wollte ich ihn auf den richtigen Pfad schubsen, bevor er sich in das Pottervergnügen stürzen würde, wurde aber bereits von der Rückbank aus gebremst, ich sollte gefälligtst die Klappe halten. Meine Tochter ist manchmal einfach zu erwachsen. Das nervt!

Das Kino war noch erfrischend leer, als wir es stürmten. Schlauer Weise buchen wir unsere Tickets immer vor, so hatten wir auch relativ gute Plätze für das angekündigte 3D Event. Entgegen sonst üblicher Prozedur hatte ich heute Nachos mit Käse und einen Eimer Cola. Ich mag eigentlich keine Nachos, hatte aber Hunger und so futterte ich dieses Teigblättchen mit dem Plastikkäse. Der Kinosaal füllte sich. Die Pepsi war zur Hälfte leer, Werbung und Kinovorschau waren vorüber. Wir sollten unsere Brillen aufsetzen. Meine Nachos waren alle, dafür klebte ein Rest Käse auf meiner 3D Brille, wie ich dann feststellte, und das kann einem den Kinoabend versauen! Ich versuchte, den Käse durch lecken zu entfernen, was zwar gelang, doch das Durchblickresultat war immer noch genau so scheuslich, wie der Platikkäse schmeckte. Ich zückte eines der Tempotaschentücher, die ich in weiser Voraussicht in rauhen Mengen eingesteckt hatte – ich erinnerte mich an die ausgelösten Heulorgien, als ich zum ersten Mal das Ende habe kommen sehen; und da habe ich das auf Englisch gelesen, mein Englisch war damals noch grottiger als heute und es hätte auch gut gewesen sein können, dass ich irgendwelche dahingeschiedenen Fußpilze in totaler englischer Verpeilung beheult hätte. (Ich erwähnte ja bereits, mein Englisch …. damals jedenfalls!). Mit dem Tempo rubbelte ich auf der Brille herum, dass die ganze Sitzreihe mit wackelte und mir das Fräulein Tochter nicht zum ersten Mal an diesem Abend den pädagogischen Ellenbogen in die Seite hieb! Hubby hatte dann doch ein Brillenputztuch mit und so konnte ich dem Endkampf klaren Blickes folgen, was aber dann doch getrübt wurde: Ich heulte bei einem der Weasly-Leichen, ich heulte bei Remus und Nypho, ich heulte besonders bei Snape, bei seinen Erinnerungsrückblicken, bei Harry’s Tod – eigentlich heulte ich nur noch, wie es zu erwarten war. Große Tränen kullerten mein Gesicht hinunter. Die Reihe hinter mir schniefte aber auch. Nur das Fräulein Tochter neben mir hielt es auch in dieser traurigen Situation für angebracht, mich zu maßregeln. Ich solle mich nicht so anstellen, wollte sie mir wohl mit einem weiteren Hieb deutlich machen.

Dazwischen war Pause, also zwischen der Heulerei. Die Hälfte der Kinobesucher stürmte auf die Klos oder den nächsten Tempotaschentuchautomat. Ich schnappte mir Hubbys gefaktes iPhone und schob vertikale und horizontale Labyrinthbalken weg, um den kleinen roten Balken durch den Ausgang zu puzzeln. So musste ich wenigstens nicht heulen. Mit Touchscreens komme ich aber früher oder noch früher immer in Clinch und ich schiebe und drücke wie behämmert auf dem Display herum, auf dem gar nichts mehr geht. Von der Seite wurde ich wiederum geboxt von Fräulein Tochter (langsam reichte mir das mit der!), während Hubby mir sein Fake iPhone entriss und mir demonstrierte, dass nur ich zu blöd bin, Touchscreenbalken durch ein Labyrinth zu schieben. Tochter hielt mir ihr Handy unter die Nase und verlangte eine Bestätigung, dass die Kekse, die ein Freund gebacken und die sie – weil sie so unsagbar lecker waren – als Handyhintergrundbild verewigt hatte, wirklich total lecker waren. Für  mich sah das Bild mit den Keksen aber aus wie ein Bild von Frikadellen. So sprach ich zu ihr, dass sie mir keine Frikadellenbilder unter die Nase halten soll, wenn ich noch immer das Trauma des zähen Käse und der Nachos verarbeite. „Das sind keine Frikadellen, das sind Kekse!“ boxte sie mir beleidigt ein weiteres Mal in die Seite. Langsam hatte ich echt die Schnauze voll. Wenn die Kekse nunmal eher wie Frikadellen aussahen, musste das auch erlaubt sein, zu sagen. Ich war bereit, hier und auf der Stelle eine Zeugenbefragung durchzuführen. Ich war mir sicher, dass alle Anwesenden  die Kekse als Frikadellen identifizieren würden. Schon hob ich an, die entscheidende Frage an die vor und hinter uns hockende Meute stellen zu wollen, als ich schon wieder Schmerzen in der Seite verspürte, diesmal boxten mich Hubby von links und Tochter von rechts in trauter Übereinkunft. Da gerade wieder das Licht ausgeknipst und der Film seinen Ende entgegenzauberte, wurde die Hackfleischkeksdiskussion vergessen. Dachte ich. Ich dachte falsch, denn nun dachte ich an Hackfleischkekse und das ich Hunger hatte. Bäh!

Die Heimfahrt im Regen verlief schweigend und außer Reichweite irgendwelcher Boxattacken von Tochter oder Hubby, da ich mich auf die Rückbank verzogen hatte. Ich mag es, wenn die Lichter zu Streifen verschwimmen und die Leitblanke wie ein Band am Autofenster dahingleitet. Ich dachte an den Film, an die Zwillinge, an DEV (das ist bereits ein Automatismus, den nur bestimmte Personen jetzt verstehen können). Meine Gedanken wanderten zurück auf die Straße und den Regen und ich vermisste supernatural. Ich hatte heute noch nicht eine Folge geguckt! Dafür war der Sturz von Harry und Voldi am Schluss in den Abgrund voll aus Swan Song geklaut. Nur bei Swan Song habe ich geheult wie ein Wasserfall, heule ich noch immer, während ich mich bei dem Voldi/Harry-Fall nur fragte, ob jemand durch so eine Schlangenase nun besser Luft bekommt, wenn er 300 Meter oder so in einen Abgrund stürzt.

Harry Potter hatte mir als Buch besser gefallen, aber gut, das Kinogeld war jetzt keine Verschwendung. Eher das Geld für die Nachos. Ich wünschte, ich hätte Hackfleischkekse.

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Eine Antwort zu Harry Potter und die Hackfleischkekse

  1. Darbie sagt:

    Jetzt hab ich auch voll Bock auf ‚Hackfleischkekse‘ :mrgreen:

    Oh super, jetzt wo ich das Ende kenne, kann ich ja doch mitreden ohne mir den Film extra ansehen zu müssen 🙂 *kein Potter-Fan ist und wenn überhaupt auf DVD guck* *und garantiert keine Taschentücher brauchen werd* 😉

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