Wenn die ersten Sonnenstrahlen zaghaft durch den
Vorhang blinzeln, fällt hier der Startschuss für eine
besondere Zumutung für jeden, der einfach nur
ausschlafen will: Horden von Möwen, die nichts eiligeres zu tun haben,
als sich in Banden zusammenzuhorten und dann immer und
immer wieder mit ohrenbetäubendem Gekreisch über die
Dächer der Siedlung zu donnern.
Himmels-Rowdys; sich gegenseitig jagend, einander
überkreischend, rauschen sie durch die Lüfte und
krächzen sich dabei die Lungen aus dem Gefieder.
Ich sitze aufrecht in meinem Bett, schlaftrunken,
verwirrt, verärgert, und versuche, den Krach
einzuordnen. Rasenmähender Nachbar? Supergau im
Kernkraftwerk? Ach — nur Angriff der Terrormöwen.
Und gerade, als das Geschrei wieder leiser zu werden
scheint und ich der irrigen Annahme bin, ich hätte
diesen morgendlichen Krach noch einmal halbwegs
überstanden, kommen sie in noch größeren Horden zurück
und stürzen mich in einen erneuten Kreisch-Orkan. Ich
halte mir die Ohren zu und schaue auf den vorsorglich
ausgestellten Wecker; 5.20 Uhr! Oh mein Gott – ich habe
doch Urlaub! Ich sollte jetzt nicht wach sein!
Wie Ebbe und Flut im stetigen Wechsel verebbt das
Gekreische wieder, wird leiser, kaum hörbar. Ich
schließe die Augen, seufze und wünsche nichts
sehnlicher, als wieder in diesen wundervollen
Dämmerzustand zwischen Wachsein und Schlafen zu
gleiten, um der frühen Stunde des Tages noch ein paar
Minuten Schlaf abzuringen. Und als würden die
Terrormöwen nur darauf warten, dass ich mich aufatmend
wieder zurück ins Kissen sinken lies, schwillt das
Gekreische unbarmherzig wieder an, kommt näher und
macht ein wohliges Dahindämmern unmöglich.
Das fast zärtlich anmutende leise Zipzerip des kleinen
Zaunkönigs geht in dem Krach draußen geradezu unter,
das Gurren der Tauben ebenso.
Ich habe keine Ahnung, warum diese Terror-Möwen das
Morgen für Morgen genau über meinem Schlafzimmerdach
veranstalten, bin aber versucht zu glauben, dass sie
aus purer Lust an der Schadenfreude mich ärgern
wollen.
Sie haben es geschafft.
Es ist mein erster Urlaubstag.
Ich sitze noch vor meiner üblichen Aufsteh-Zeit im
Nachthemd in meiner Küche, der erste Kaffee des Tages
blubbert in der Maschine und ich überlege, was ich mit
diesem Tag nun anstelle, der so abprupt und zeitig
begann.
(entstanden: Sommer 2008)
Das ist wunderschön geschrieben. Ich muss sagen, ich liebe Möwen – trotz des Terrorgeschreis. Aber hier in Süddeutschland gibt es, außer am Bodensee, keine. Ich beneide dich ein kleines bisschen.
Und hab vielen Dank für deinen Kommentar, hat mich sehr gefreut!