Mai-Update

Eigentlich liebe ich den Mai; eigentlich, aber momentan bin ich dunkel. Kein Wunder. Es vergeht auch kein Tag, an dem ich nicht an meine beiden Brüder denke – und mir die Tränen kommen. Und jede Woche flattert eine neue Rechnung gefühlt herein, ohne dass ich mit dem einem oder dem anderen Erbschein wirklich weiter komme.

Die Wohnung von Torsten wurde vor ein paar Tagen endabgenommen. Die Diakonie hatte freigeräumt, auch den Dachboden geleert (von dem wir gar nicht wussten, dass es den auch gibt) und das Laminat wunschgemäß noch rausgepflückt. Dann kam das Wohnungsabnahme-Protokoll, 8 Seiten. Alles war gut bis Seite 7 … Instandsetzungskosten: knapp 7000 €, zu zahlen vom Mieter bzw. Erbe. Also ich. Wofür?
Frau H. gab sich dann als mich aus um telefonisch nachzufragen, was denn das für Kosten sein sollen, die ich zu bezahlen habe. Ich wollte nicht anrufen, denn ich hätte die durchs Telefon gezogen oder wäre in Tränen ausgebrochen. Also tat Frau H. so als ob und bekam heraus, dass es die Wohnungstür von Torsten ist. Torsten, der am Silvester-Tag 2022 ein Bad nehmen wollte, dann aber einen Kreislaufkollaps erlitt und nicht mehr alleine aus seiner Badewanne kam. Er rief um Hilfe, bis ein Nachbar wohl die Feuerwehr und den Rettungswagen rief, und die dann die 4fach gesicherte Tür eintraten, um ihn aus seiner misslichen Lage zu befreien und in ein Krankenhaus zu bringen. Tja … und nun bekomme ich für die eingetretene Tür die Rechnung und möchte einfach nur heulen, denn die 7.000 € greifen nun wirklich mein Erspartes an.
Chef versucht aber, das Ganze über die Krankenkasse von Torsten abzurechnen … vielleicht bekommen wir ja das wenigstens hin.

Und so ertappe ich mich dabei, wie mir vor allem abends, wenn ich vom Büro nach Hause fahre, an meine Brüder denke und mir die Tränen kommen. Wie allein ich bin, als einzige meiner Kernfamilie. Dass alle mehr oder weniger allein und im Krankenhaus gestorben sind, Mama, Papa, Torsten und nun auch Stefan … und sie mich alle allein gelassen haben mit dem ganzen Scheiß. Klar habe ich meine eigene Mini-Familie; aber ich fühle mich trotzdem verlassen und allein und in manchen Momenten denke ich, dass das jetzt die Stelle wäre, wo traurige Musik spielt oder im Buch seitenlang Gefühlsgedanken formuliert werden. Aber niemand hört zu und Musik spielt auch keine; und überhaupt ist dieses Leben eben wie es ist; und ich muss darauf vertrauen, dass es noch schöne Momente für mich bereit hält, auch wenn es jetzt seit Monaten so gar nicht danach aussieht.

Am 05.06.2023 fliegen wir dann nun nach München, um Stefan zu beerdigen. Ich habe Angst davor: Es werden fremde Menschen da sein, die meinen Bruder aber nun so viel besser kannten, als ich. Für mich wird er immer der große (17jährige) Bruder bleiben.

So schleppe ich mich durch die Tage, und bin eigentlich sehr glücklich, dass im Büro nach wie vor so viel zu tun ist, dass ich kaum zum Nachdenken komme. Die Wochenenden und Feiertage verbringe ich mit Wohnung putzen und schlafen/lesen; immer froh, wenn das Telefon nicht bimmelt und keine neue WhatsApp- oder Emailnachricht auf mich wartet und mit neuen Problemen aufwartet.

Dieser Beitrag wurde unter Blog veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.