Exorcismus an der Supermarkt-Kasse

Ich gebe zu, manchmal stelle ich mich ungeschickt an und bügel auch schon mal auf das selbst gestaltete T-Shirt den Satz: “Und eh du fragst – Klar ist das Bela B., der beste Drummer der Welt!” verkehrt herum unter das vergnügt grinsende Abbild meines Lieblingsschlagzeugers. Hindert mich das daran, mit diesem T-Shirt einen Supermarkt zu betreten? In keinster Weise, warum auch? Also stürmte ich gut gelaunt und mit Bela B. Bild auf der Brust das hier ansässige KAUFLAND.Shoppingcenter betrete ich aus religiösen und eher sinnlosen Gründen ausschließlich mit angelegten In-Ear-Kopfhörern, aus denen meine jeweilige Lieblingsmusik direkt ins Gehirn geleitet wird. Die Folge dieser Art von Audio-Gehirnwäsche ist ein beseeltes Lächeln und die (meist stümperhaften) Versuche meinerseits, irgendwie unauffällig mitzusingen. So schlendere ich ziemlich entspannt durch Regalschluchten. Wie gestern auch, inklusive besagten extravaganten Bela-B-T-Shirt mit der auf den Kopf gestellten Bildunterschrift.

Bis hier hin hat das noch nicht viel mit Exorcismus zu tun. Der fand erst an der Supermarktkasse statt. Jedenfalls eine Karrikatur davon.

Ich stehe also an einer dieser Kassen und stelle zwischen zwei Akkorden im Gehirn fest, dass es mal wieder die falsche Kasse war. Klar. Aber: Wenn ein bestimmter Texaner mir ununterbrochen ins Ohr trällert, dass ich ihm Liebe gebe, dann stehe ich mir gerne auch mal die Beine in den Bauch. Stört mich dann gar nicht. Ich bin im Rausch.

Plötzlich: eine merkwürdige Bewegung auf 12 Uhr.

Der schon etwas ältere Kleinstadtrocker vor mir in Lederweste, Nietenjeans, Nasenring und mit schütterem Haar verrenkt sich im Kassenkanal. Seine Oberarm-Tätowierung ist auch schon Rentner und war früher wohl mal eine sexy Lady, hat jetzt aber größere Ähnlichkeit mit einem Mopps. Offensichtlich versucht Senior-Rambo meinen Bela-B-Spruch zu entziffern. Sein Kopf ist mittlerweile auf meine Hüfthöhe abgetaucht und um 90 Grad verdreht. Zwei Augen schielen mich grinsend an und wie in einem Stummfilm öffnet er den Mund. Da ich aber immer noch in Grazy-in-Love-Land bin (und gedenke da auch zu bleiben), entgeht mir das, was er zu sagen versucht. Sein euphorisches Grinsen interpretiere ich jedoch als Ausdruck seiner gerade entdeckten Erleuchtung, wem ich da auf der Brust huldige. Dann erinnert ihn sein Rücken an sein Alter oder auch umgedreht und einen Augenblick später greift er sich an seine Rückseite, verdreht die Augen dämonisch und stöhnt so mitleidig, dass die Kassiererin panisch mit den Armen zu fuchteln beginnt. Ich nehme vorsichtshalber einen Kopfhörer aus meinem Gehörgang und bereite mich mental darauf vor, blitzartig einem Schwall halbverdaute Erbsensuppe inklusive seiner Dritten auszuweichen, indem ich in den Zigarettenstand springe. Dazu kommt es zum Glück nicht mehr. Der Rocker steht wieder senkrecht an der Kasse und kramt ein zerfleddertes Portmonee aus seiner Gesäßtasche. Auch die Kassiererin atmet hörbar erleichtert auf und schleift piepsend seine restliche Tempotaschentuchpackungen und die Katzenfutterdosen über den Scanner. Ich stöpsel mich wieder in texanisches Stereo, spreche noch ein kleines lateinisches Dämonen-pull-out-Ritual und grinse zufrieden.

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