C-Tagebuch

Vermutlich haben einige schon diese Idee in diesen außergewöhnlichen Virenzeiten, wo kein Tag vergeht, wo man nicht mit diesem blöden Virus konfrontiert wird. Fangen so nicht diese End-Zeit-Movies an, dass die Menschheit einem Virus/Alien/dem außer Kontrolle geratenen übergroßen Toastern zum Opfer fiel und nur eine handvoll Überlebende durch geisterhafte, verlassene Städte schleichen, auf der Suche nach Wertvollen … wie der letzten Rolle Klopapier?

Noch mache ich mich darüber lustig, aber das Lachen vergeht einem mit jedem Tag mehr, an dem nichts mehr normal zu sein scheint. Und ganz klar, wenn es zum Supergau kommen sollte, also der schlimmste aller Fälle eintritt und es erst noch sehr viel schlimmer alles werden wird, bevor es auch nur einen Hauch besser werden kann, dann werde ich ohne Zweifel zu den Massen gehören, die nie namentlich überleben, sondern nur eine Kommastelle in der Statistik sein werden; an deren Namen man sich nicht mehr erinnert, sondern die man fast ehrfürchtig leise einem gleichermaßen geschockten Publikum hinhaucht, um zu demonstrieren, wie schlimm die damaligen Zeiten waren und wie groß die Opferzahlen wirklich ausfielen. Vielleicht sollte einem bewusst werden, dass wir an einem solchen Beginn stehen könnte, als „das alles anfing“, damals, im frühen Zwanzigzwanzig, als die Menschen noch nach Klopapier jagten und Corona-Partys feierten, die Gefahr ignorierten und nicht ahnten, wohin das alles führen sollte. So, wie wir heute von den Dinosaurieren sprechen, die den Meteoriten kommen sahen und noch neugierig die Köpfe hoben vom Grasen, und nicht ahnten, wie schnell ihre Welt nicht mehr da sein würde. Oder die Neanderthaler, als sie in ihren Höhlen hockten und von dieser neuen Gruppe Menschen grunzten oder flüsterten, die gesichtet worden sind, die so anders aussehen und anders laufen und andere Felle tragen …

Ach, ich werde ganz merkwürdig, ich merke das ja selbst. Man – ich – will an ein bisschen Normalität festhalten. Normalität, die man vor ein paar Tagen noch abwertend Alltag genannt hat und verabscheute. Und heute ist Einkaufen schon etwas, worüber man nachdenken muss. Wann, wer, wohin? Was ist überhaupt noch auf? Und werden sich die Leute daran halten, Abstand zu halten, oder ist der Weg an die ALDI-Kasse derjenige, dem ich dann Tage später das Virus verdanken werde? Und was ist, wenn ich es dann habe? Werde ich dahinsiechen, wie die bedauernswerten Menschen in den Fernsehnachrichtenbildern, die auf dem Bauch liegend an Sauerstoffmasken angeschlossen trotzdem nach 4 oder 5 Tagen schlicht abkratzen? Will man so enden? Muss es soweit kommen? Wird es soweit kommen? Ist es vielleicht schon viel schlimmer, als man uns zeigt? Es ist kein Wunder, dass Verschwörungstheorien wie Pilze wachsen und gedeihen; eine verschrobener und obskurer, als die andere. Man könnte schlicht durchdrehen. Und was gestern noch wie eine Theorie kopfschüttelnd belacht wurde, entpuppt sich am nächsten Tag als gar nicht mehr so fledermaus-abwegig.

Aber ich will mich nicht anstecken lassen an der Hysterie und Panikmache, am Schwarz-Sehen und Zombie-Beschwörungen. Für mich wird sich in den nächsten Tagen noch nicht viel ändern: Ich darf noch ins Büro, dort ist noch einiges zu tun. Aber zum Gericht darf ich nicht mehr; die Gerichtspost wird auf den normalen Postweg zugestellt. Ansonsten bleibt man eben zu Hause, nur mit dem Unterschied, das man vor C. eben noch die Wahl hatte, ob man da hin oder dorthin wollte, bevor man sich dann eben doch wieder für C wie Couch entschied. Jetzt, wo man diese Wahl nicht mehr hat, ertappt man sich dabei, gern woanders sein zu wollen, als auf dem heimischen Sofa. Man verlangt eben wirklich immer gerade das in dem Moment, was man nicht haben kann.

Wie es weiter geht, weiß keiner so genau. Wie lange es noch dauern wird auch nicht. Dass es das ganze Jahr oder möglicherweise JahrE andauern könnte, erschreckt auch mich. Ein paar Tage oder Wochen eingeschränkt zu werden, damit kann man noch irgendwie umgehen; aber wenn das jetzt der Alltag der Zukunft sein sollte … nur noch pendeln zwischen Büro und Couch und vielleicht dem nächsten Supermarkt; aber kein Kino, keine Konzerte, keine Eisdiele, keine Fotosafaries mit Freunden, keine Sail 2020 in Bremerhaven, keine Flugreise wohin auch immer, kein Sommerspass im Wasser, keine Schiffstouren, kein Bülent, kein Torsten Sträter, kein vielleicht Stefan Jürgens live, wenn sich Gelegenheit ergibt, denn für all das wird es keine Gelegenheiten geben ….nichts von den kleinen Ausreißern aus dem Alltag! Da könnte man wirklich schon nur an den Gedanken daran fast zerbrechen.

Schnell! Neue Gedanken, Sunshine in my mind, bevor es zerbröselt. Ich habe mein KINDLE und noch immer die besten Lovestories des #QAF Universums. Ich habe Twitter und die Sonntagabende mit dem gemeinsamen Tatort schauen. Ich habe meinen Musikstreamingdienst, der mich neue Musik entdecken lässt (derzeit gerade HAEVN). Und ich habe meine Minifamilie, die (noch) gesund ist. Ich habe noch keine Existenzangst, auch die Miete ist bei uns vorerst nicht gefährdet. Wir sind – im Gegensatz zu einigen anderen – noch in einer komfortablen Situation. Und in dem Sinne konzentriere ich mich jeden Tag auf das, was ich noch habe und genießen kann, und betrauere nicht allzu sehr die Dinge und Gelegenheiten, die ich derzeit eben nicht haben kann.

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3 Antworten zu C-Tagebuch

  1. Saŝa K. sagt:

    Hm, ich denke nicht, daß die Dinosaurier nach oben geguckt haben, als der Meteor in die Erde knallte. Leider war das Biest so groß und so schnell, das es komplett die Lufthülle der Erde so schmerzaft zerquetschte, das ein Teil dessen was er vernichtete direkt in den Weltraum katapultiert wurde, mit einer Geschwindigkeit, die atemberaubend war. Erst Sekundenbruchteile später schloß sich die Lufthülle über der Einschlagstelle wieder.
    Möglicherweise ist genau dies der glückliche Umstand, warum nicht alles Leben auf der Erde ausgelöscht wurde, sondern nur beinahe alles Leben.
    *Klugscheißermütze zurück in den Schrank pfeffer*

  2. werkarniggel sagt:

    Ist das jetzt tröstend?
    Ich behalte lieber mein Disney-Bildchen im Kopf: langhalsige Dinos, die mampfend sterben.
    Wenn mir ein Meteorit auf den Kopf fällt, möchte ich bitte dieses eine italienische Eis gerade lutschen und mein KINDLE natürlich in der Hand halten. Von daher … würde ich wahrscheinlich gar nicht merken, wie man mich ungefragt aus der Geschichte eliminiert.

  3. Saŝa K. sagt:

    Es sollte tröstend sein. Die Dinos mußten nicht leiden. Ich finde sofortigen Tod gnädiger, als ein langsames drauf hinsiechen. Am Ende fällt dir doch immer nur noch mehr und mehr ein, was du gerne alles getan haben könntest, würdest, möchtest. Zumindest geht es mir so.

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